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Knospen der literarischen Moderne

Gelbe Blüten und dunkles Blattwerk
Les Fleurs du Mal: Blühen und Düsternis

Am 25. Juni 1857 erschien bei Poulet-Malassis et de Broise in Paris die Erstausgabe des Gedichtbandes Les Fleurs du Mal (Die Blumen des Bösen) von Charles Baudelaire. Etwa die Hälfte der enthaltenen Gedichte war bereits vorab in verschiedenen Publikationen veröffentlicht worden. So etwa 11 davon unter dem Titel Les Limbes und weitere 18 in der Revue des Deux Mondes.

In der literarischen Welt rief Baudelaire Begeisterung hervor, in den tonangebenden Gesellschaftskreisen stieß er auf Empörung. Es dauerte nur wenige Wochen bis zur Einleitung eines Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft wegen Gotteslästerung und Störung der öffentlichen Moral, an dessen Ende eine Verurteilung zu einer Geldstrafe stand. Auch Baudelaires Verleger Auguste Poulet-Malassis wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Außerdem mussten in der Folge 6 Gedichte aus dem Band entfernt werden.

Volle Wirkung entfalteten die Verse nach 1880, als die Grundstimmung eines der Welt überdrüssigen Großstädters mit Hang zu den düsteren Seiten der Existenz auf mehr einfühlende Resonanz hoffen konnte und weniger ostentativ zur Schau gestellte Empörung hervorrief.

Die Anerkennung ließ also recht lange auf sich warten. Dafür hält der Ruhm bis heute an. Die Blumen des Bösen gehören nämlich seitdem zu den bekanntesten Gedichten der Welt und zum literarischen Kanon. Denn mit den Gedichten von Charles Baudelaire begann in der Lyrik tatsächlich eine neue Zeit: die Moderne. Grund genug Die Blumen des Bösen aus dem Bücherregal zu holen und nochmal zu lesen.

Le Goût du Néant

Morne esprit, autrefois amoureux de la lutte,
L’espoir, dont l’éperon attisait ton ardeur,
Ne veut plus t’enfourcher ! Couche-toi sans pudeur,
Vieux cheval dont le pied à chaque obstacle butte,

Résigne-toi, mon coeur, dors ton sommeil de brute.

Esprit vainc, fourbu ! Pour toi, vieux maraudeur,
L’amour n’a plus de goût, non plus que la dispute;
Adieu donc, chant du cuivre et soupirs de la flûte !
Plaisirs, ne tentez plus un coeur sombre et boudeur !

Le Printemps adorable a perdu son odeur !

Et le Temps m’engloutit minute par minute,
Comme la neige immense un corps pris de roideur;
je contemple d’en haut le globe en sa rondeur,
et je n’y cherche plus l’abri d’un cahute !

Avalanche veux-tu m’emporter dans la chute !

Köstliches Nichts

Finstrer Geist, eifertest einst voller Kampfeslust,
da Hoffnung Glut und deine Leidenschaft entflammt‘,
die heut dich nicht mehr tragen mag. Leg dich hin ohne Scham
greises Ross, das am kleinsten Hemmnis straucheln muss.

Ergib dich, mein Herz und schlaf deinen wildesten Schlaf.

Geist, erschöpft, besiegt! Du alter Plündergänger,
die Liebe ist so schal geworden dir, wie Streit,
nimm Abschied von Fanfaren und von Flötenspiel,
dass Freude lockt das düstre, kalte Herz nicht länger.

Schal geworden ist des Frühlings wunderbarer Duft!

Und die Zeit verschlingt mich Stund‘ um Stunde,
begräbt wie Schnee der fällt meinen froststarren Leib;
such ich Schutz in keiner Hütte, nicht Geborgenheit
schau von schwindelnd großer Höh‘ herab auf’s Erdenrund!

Ach Sturzfall, ach Schnee, nimm mich mit, wie du fällst!

deutsche Übertragung: Dagmar Tille 2020

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